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Friesen

Friesen und eine Welt im Wandel

Die folgenden Texte und Fotos sind neu aufbereitete Auszüge aus meinem Buch "Heimat Sylt - Chronik und Geschichte der Familie Kaack", das als Printversion mit Hardcover und Fadenbindung verfügbar ist oder als eBook. Erhältlich ist es im stationären Buchhandel, bei Online-Händlern wie z.B. Amazon sowie bei dem Verlag BoD in Norderstedt. die Präsentation auf dieser Webseite wurden die Inhalte gegenüber dem Buch neu zusammengestellt.

Das Bild auf der rechten Seite zeigt eine Radierung, vermutlich um 1900 in Alt-Westerland enstanden. Die Unterschrift des Künstler ist nicht zu entziffern. Wenn man die Geschichte der verschiedenen Familienstämme in der zeitlichen Entwicklung betrachtet, wird deutlich, wie spät einige Errungenschaften von Zivilisation und Technologie aufgekommen sind. Einige zeitliche Einordnungen verdeutlichen dies:

  • Sturmfluten und Überschwemmungen kosteten viele Tausend Menschen an den Küsten bis in das 17. Jahrhundert das Leben und vernichten große Marschflächen. Am 16.01.1362 ereignete sich die zweite Marcellusflut, die u.a. die Insel Strand bildete, der mit der Gewinnung von Salz aus Salztorf reich gewordene und auf einer 3 Meter hohen Warf gelegene Hauptort Rungholt ging dabei unter. Neben schlecht gewarteten Deichen hat die Salzgewinngung und die Trockenlegung des Landes für die Landwirtschaft auf Strand die Auswirkungen der Sturmflut verschlimmert, da man tief gelegenens Land ins Meer entwässert und trockengelegt hat. Dies hat zu einem weiteren Absinken des ohnehin schon niedrigen Bodens geführt und in die Senken konnte das Meerwasser leicht eindringen. In einer Sturmflut im Jahr 1570 sollen an den Küsten von Holland bis Jütland bis zu 400.000 Menschen gestorben sein. Der Höhepunkt der Sturmschäden war am 11.Oktober 1634 der Sturm. Alleine auf dem ehemals reichen Strand starben in einer Nacht nach Deichdurchbrüchen an 44 Stellen 6.200 Menschen, 50.000 Kühe und Schafe. 1.300 Häuser und 30 Mühlen wurden vernichtet. Übrig blieben die beiden kleinen Inseln Nordstrand und Pellworm. In ganz Nordfriesland kamen in dieser Sturmnacht ca. 150.000 Menschen ums Leben.
  • Erst die folgenden effizienteren Deichbauarbeiten reduzieren die Verluste. Obwohl es einen absoluten Schutz gegen das Meer nicht gibt, wie auch die Hamburger Sturmflut von 1962 oder die Tsunami-Katastrophe von 2004 im indischen Ozean nachdrücklich gezeigt haben, die 230.000 Menschenleben kostete. Dabei starben bei dem Tsunami 2004 immerhin wesentlich weniger Menschen als bei der Sturmflut von 1570 an der Nordseeküste.

  • Im 15. Und 16. Jahrhundert waren die Inselfriesen bevorzugt Fischer und Wattschiffer mit Herings- und Schellfischfang in der Nordsee, Rochen-, Schollen- sowie Austernfang im Wattenmeer. Große Heringsschwärme zogen über lange Zeit direkt an der schleswig-holsteinischen Westküste vorbei. Als sich die Zugrichtung endet, ging mit der küstennahen Fischerei in erheblichem Maße zurück. Bei der Erkundung der Gewässer westlich von Grönland auf der Suche nach einer Passage in Richtung Indien wurden große Walfamilien bei Spitzbergen gesichtet, die dort regelmäßig im Sommer hinzogen und Nachwuchs bekamen. In den Jahren nach 1610 entwickelte sich der Walfang vor „Grönland“, gemeint ist eigentlich bei Spitzbergen, und wurde für die Seefahrer von Sylt, Föhr und von den Halligen ein wichtiger Erwerbszweig. Die Gründung von Stationen und Tran-Kochereien auf Grönland nach 1630 bis 1777 intensivierte das einträgliche Geschäft. Die friesischen Seeleute heuerten meist bei hamburgischen und holländischen Reedern an und begannen die Seereise oft in Hamburg. Die Seefahrer aus Föhr waren überwiegend für hamburgische Reedereien unterwegs. Im Frühjahr nach dem traditionellen Biikebrennen auf den Inseln brachen die Männer gemeinsam mit kleineren Schiffen auf, um in Hamburg oder Amsterdam eine Anstellung zu finden. Auch auf diesen kleinen Reisen mit Schmack-Seglern vom und zum Einschiffungshafen passierten Schiffsunglücke, die mit dem Tod der Seeleute auch den Erwerb der verbundenen Familien gefährdete. 
  • Die Inselfriesen galten als gute Navigatoren und stiegen oft zu Steuermännern und Kapitänen auf. Da die Seeleute anteilig am Gewinn beteiligt waren, wurden einige Kapitäne wohlhabend. Allerdings gab es bei dieser Erwerbstätigkeit erhebliche Gefahren durch das Eis und bis zu 10% der ausgelaufenen Schiffe wurden in den Eisfeldern zerdrückt. Die Besatzungen konnte in den meisten Fällen von anderen Walfängern gerettet werden. 1777 wurden über 100 Walfangschiffe vom Eis eingeschlossen und verbrachten ein Jahr auf den Schiffen, bis die Vorräte verbraucht waren und die Schiffe dicht an die grönländische Küste getrieben waren. Die Besatzungen verließen die Schiffe und machten sich auf den Weg zu den Siedlungen auf der Westseite von Grönland. Eine Gruppe begab sich auf den direkten Weg quer durch Grönland und verschwand auf diesem Weg spurlos. Die andere Gruppe wanderte entlang der Küste erst nach Süden, dann nach Westen und schließlich nach Norden. Mit Verlusten erreichten sie die Niederlassung und kehrten wieder in die Heimat zurück. Das Unglück, bei dem viele friesische Seeleute ihr Leben verloren, in Verbindung mit den abnehmenden Zahlen von Walen bedeutete faktisch das Ende des Walfangs vor Grönland in großem Stil. Einer der erfolgreichsten und bekanntesten Grönland-Kommandeure war Lorenz Petersen de Hahn, der bis Anfang des 18. Jahrhunderts auf Walfang fuhr und zu den entfernten Verwandten zählt. Aber auch andere Verwandte widmeten sich diesem gefährlichen Erwerb.
  • 1731 wurde in London der Oktant als wesentliches Hilfsmittel für die Navigation erfunden. Aber erst in Verbindung mit zuverlässigen Schiffschronometern wurde die Navigation zuverlässiger als durch Koppeln und die Navigation nach Sternen. Der Harrison-chronometer wurde zwar schon 1735 vorgestellt. Die Verbreitung auf den Schiffen setzte sich aber erst zum Ende des 18. Jahrhunderts durch, seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind Oktanten und Chronometer gängige Ausrüstungsgegenstände auf größeren Schiffen.
  • 1748 wurde auf Föhr eine „Vogelkoje“ zum Fang wilder Enten gebaut. Auf Sylt wurde später ebenfalls mehrere solche Einrichtungen zwischen Kampen und List errichtet. Die ursprünglich in Holland eingeführten Vogelkojen habe einen zentralen Süßwasserteich, auf dem zahme Enten ausgesetzt werden, die die im Herbst nach Süden ziehenden Wildenten in die Anlage locken. Von dem zentralen Teich führen mit Netze nach oben und zu den Seiten gesicherte Gräben in das umliegende Buschland. Mit Getreidekörnern werden die Enten in die zunehmend enger werden Gräben („Flöten“) gelockt und von den Vogelfängern in die Fangnetze am Ende der Gräben getrieben. Pro Tag wurden bis zu 1.000 Enten gefangen und in einem guten Herbst insgesamt bis zu 30.000. Neben Getreide, Austern und Wollwaren wurden Enten ein wichtiges Exportgut für die Inseln.
  • Nach dem Niedergang des Walfangs gewann die Handelsschifffahrt steigende Bedeutung mit Reisen bis nach Ostasien und auch hier waren die Inselfriesen als Seeleute gefragt. An die Stelle der Gefahr durch das Eis war jetzt allerdings die Gefahr durch nordafrikanische Piraten getreten. Dabei wurden Schiffe aufgebracht und Ladung geraubt, Seeleute als Geiseln genommen oder gleich als Sklaven auf den Sklavenmärkten von Marokko oder Tunesien verkauft. Aus dieser Zeit in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gibt es abenteuerliche Berichte von einigen friesischen Seeleuten, die in der Sklaverei aufgrund ihrer Fähigkeiten „Karriere“ machten, bis zum Feldherrn aufstiegen und nach langen Jahren sogar vermögend wieder in die Heimat zurückkehrten. C.P. Hansen gibt in seiner Chronik der Uthlande einige spektakuläre Fälle wieder. Ein solches Beispiel ist Kapitän Schwenn Jürgens aus Keitum, der 1746 von einem unter türkischer Flagge fahrenden Piraten-Schiff aufgebracht wurde. Für die Mehrzahl der von Piraten gekaperten Schiffe und Seeleute endete die Kaperung weniger glücklich. Damals entwickelte sich der Freikauf von festgesetzten Seeleuten durch ihre Familien oder die Reedereien zum profitablen Unterfangen. Alleine in den Jahren 1775 und 76 kamen 21 Sylter in der Handelsschifffahrt ums Leben. Auch in den Folgejahren kamen Seeleute ums Leben, aber die Zahl der Seefahrer nimmt zum Ende des 18. Jahrhunderts ab auf 378 auf Sylt und etwa 1.000 auf Föhr. Laut Kapitän Jens Booysen gab es 1792 auf Sylt 120 Schiffer oder Kapitäne auf größeren Schiffen. Viele Vorfahren von Sylt und den Halligen waren in der Handelsschifffahrt tätig. Der letzte in der Reihe war Kapitän Charles Carstensen, der bis in die dreißiger Jahre nach Ostasien fuhr.
  • Die dunkle Seite der erfolgreichen Handelsschifffahrt war der Transport von Sklaven nach Westindien, bei dem von 1775 bis Anfang des 19. Jahrhunderts auch Sylter Seeleute beteiligt waren. Sklaven wurden aus Guinea nach Westindien verfrachtet, wo Zuckerrohrplantagen dank billiger Arbeitskräfte große Profite abwarfen. Alleine zwischen 1777 und 1789 wurden über 12.000 Sklaven transportiert und verkauft. Zu den erfolgreichen Westindienfahrern gehörte eine Reihe von Kapitänen aus der Familie Frödden.
  • Auf Sturmfluten oder kriegerische Auseinandersetzungen folgten fast immer Hungersnöte, da Überschwemmungen die Ernte vernichtet und das Vieh ertränkt hatten. In der Kombination von nicht ausreichender Ernährung, liegen gebliebenen Tierkadavern und nicht beerdigten Leichen ergaben sich fast ebenso regelmäßig Epidemien und Ausbrüche der Pest. So starben Menschen nicht nur durch die unmittelbaren Auswirkungen der Sturmfluten reduziert, sondern mittelbar noch bis zu einem Jahr später.
  • In der Folge der Sturmfluten mussten nicht nur Häuser wiederaufgebaut oder repariert, sondern insbesondere Deiche instandgesetzt und neu entstandene Priele geschlossen werden. Diese Leistungen mussten neben dem sonstigen Lebensunterhalt erbracht werden, da sich die Fürstenhäuser finanziell kaum beteiligten. Stattdessen erhoben die Fürsten von Schleswig und Holstein ebenso wie die dänischen Könige immer wieder neue Abgaben und Steuern, um ihre Kriegszüge oder Schlossbauten zu finanzieren. Gerecht war die Welt damals genauso wenig wie zu späteren Zeiten. Der Streit um Gebietsansprüche zwischen diesen drei Adelshäusern war für die Bevölkerung nachteilig, da zusammengehörende Gebiete getrennt wurden oder zusätzliche Abgaben zur Aufstellung von Truppen gezahlt werden mussten. Nicht selten zogen Heere der streitenden Parteien über das Land und forderte ihrerseits Abgaben und Verpflegung.
  • Kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Friesenstämmen und insbesondere immer wieder mit den dänischen Herrschern dauerten seit der Frühzeit an. Im Jahr 1646 wurde das Listland auf Sylt kurzzeitig von schwedischen und verbündeten holländischen Truppen besetzt, als diese sich in einem der häufigen Kriege mit Dänemark auseinandersetzten. Den Sylter Frauen und Männer gelang es aber die Invasoren zur Flucht zu bringen, wobei die Sonntagstracht der Frauen mit reichlichem Silberschmuck einiges beigetragen hat, da die Schweden im Gegenlicht eine größere Streitmacht vermuteten. 
  • Bücher fanden erst ab der Mitte des 16. Jahrhunderts Verbreitung, zunächst war dies in erster Linie die Bibel. Die erste Druckerei in Schleswig-Holstein gründete 1486 Stephan Andres in Schleswig und das erst dort produzierte in einer Auflage von 200 Stück produzierte Buch war ein Messbuch für das Bistum Schleswig. Den Vertrieb übernahm der Domherr von Schleswig. Der Buchhandel wurde in den kleineren Städten meist von Buchbindern für die Verleger mit übernommen, da Buchdrucker die Werke bis weit ins 19. Jahrhundert nur als lose Blätter lieferten. Auftraggeber der Buchbinder waren in erster Linie Kirchen und Schulen. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Bücher in Husum auf zwei jährlich durchgeführten Märkten verkauft. Kirchen oder einzelne Lehrer betrieben gelegentlich einen „Bücherschrank“ als Bücherlager und Verkaufsstelle für Verleger und Buchhändler aus den größeren Städten. Ab 1850 werden in Zusammenarbeit mit den Schulen öffentliche Bibliotheken auf den Inseln eingerichtet und förderten die Verbreitung der Lesebereitschaft.
  • 1614 fand in Nordfriesland der wohl letzte Hexenprozess statt. Trotz Christianisierung und frühzeitiger Annahme der Reformation blieben heidnische Bräuche und Aberglaube lange präsent und Hexen- oder Zauberer-Verbrennungen waren nicht selten.
  • Ein allgemeines Schulsystem wurde in Nordfriesland erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aufgebaut. Davor war Bildung den Adligen und wohlhabenden Familien vorbehalten, die ihre Kinder auf eine der wenigen und meist entfernten Schulen schicken konnten. Auf den Inseln begann ein Schulunterricht um 1650 in den Wintermonaten und durch Seefahrer, die in dieser Zeit zuhause waren. Hauptfach war Mathematik, die wichtigste Voraussetzung für die Navigation. Lesen und Schreiben waren damals noch nachgelagert. In manchen Gegenden übernahmen Pastoren den Schulunterricht, bevor hauptberufliche Lehrer angestellt wurden. Erst ab 1761 wurde das Schulwesen unter staatliche Aufsicht gestellt und hauptberufliche Lehrer von den Kommunen eingestellt. Mit der Neuordnung des Schulwesens durften von 1804 an nach den neuen Schulregularien nur noch ausgebildete und geprüfte Lehrer an öffentlichen Schulen unterrichten, so dass die Unterrichtsqualität und die Breite der Schulfächer zunehmen. Die Lehrer erhalten nach der Neuordnung ein festes, aber damals sehr niedriges Gehalt, eine mietfreie Wohnung, den Erträgen aus einige Ländereien und einigen Vorräten an Korn. Die direkten Vorfahren Hinrich Schröder und Claus Kaack waren bis 1848 bzw. 1884 als Dorflehrer in Vaale respektive Borgdorf tätig.
  • Ein ständiges Gerichtswesen entstand auf den friesischen Inseln erst im 17. Jahrhundert mit einem Gerichtsvogt und zwei gewählten Gerichtsbeisitzern. Wyk erhielt aufgrund der langsamen Erholung nach der Sturmflut von 1643 erst 1706 ein eigenes Gericht. Davor und auch später im eingeschränkten Rahmen wurde die Gerichtsbarkeit von Landvögten übernommen, die von der Regierung zur Verwaltung eingesetzt wurden. Unter den Verwandten und Vorfahren finden sich eine Reihe von Landvögten (Take Knuten bis 1617, sein Enkel Steffen Peter Taken bis 1711 und Haulk Bohn Prott bis 1815) sowie Ingwer Hansen Zimmermann bis 1839 als einer von zwei Gerichtsbeisitzern in Wyk. 
  • Zur Versicherung der aufgrund der mit Reet gedeckten Dächer für Blitzschlag für Feuer besonders gefährdeten uthlandischen Häuser wurde 1758 auf Sylt eine „Mobilien-Brandkasse“ eingerichtet.
  • 1771 erfolgte eine Vermessung und Aufteilung der landwirtschaftlichen Flächen auf Sylt und Föhr auf der Grundlage einer „Einkoppelungs-Verordnung“, bei der sowohl Ackerflächen als auch Heideflächen und Weideland zusammengelegt und neu zugewiesen wurden und die Grundlage für eine effizientere Landwirtschaft legte. Für die Durchführung der Landverteilung wurden in größerer Zahl Arbeiter vom Festland benötigt. Die früher schmalen Acker- und Wiesenstreifen wurden im Zuge der Neuverteilung zu größeren Flächen zusammengelegt und in der Folge stiegen dann die landwirtschaftlichen Erträge deutlich an. 
  • Bis ins 19. Jahrhundert waren viele Familien sehr kinderreich, wegen fehlender medizinischer Möglichkeiten und Versorgung erreichten aber bei weitem nicht alle Kinder das Erwachsenenalter.
  • Die Handelsschifffahrt der Friesen hat nach 1800 unter den Folgen des Krieges zwischen England und Frankreich gelitten, da beide Seiten die Neutralität der unbeteiligten Nationen nicht beachtet und viele Handelsschiffe mit ihrer Ladung aufgebracht haben. Der dänisch-englische Krieg von 1807 bis 1814 beeinträchtigte die Handelsschifffahrt der Inselfriesen und zwang viele Seeleute in den Militärdienst für die dänische Marine. Nach 1808 wurden zahlreiche Seeleute zur Unterstützung der napoleonischen Marine abgestellt. Die französische Kontinentalsperre brachte die Handelsschifffahrt bis auf Schmuggelfahrten ganz zum Erliegen, gleichzeitig steigen die Preise für Luxusprodukte wie Kaffee, Tee und Tabak. Auch nach dem Frieden von 1814 erholte sich die Schifffahrt nur langsam wieder. Überwiegend fuhren die Seeleute für Reeder aus Hamburg und Altona, in der Regel nach Westindien und Südamerika. 1820 starben 20 Sylter Seefahrer, u.a. an dem in den tropischen Gegenden grassierenden Gelbfieber.
  • Aufgrund der hohen Kriegsausgaben im napoleonischen Krieg stand Dänemark kurz vor einem Staatsbankrott und führte am 05.01.1813 eine Währungsreform durch, die zu einer massiven Abwertung der Staatsanleihen im Verhältnis 6 : 1 führte. Gleichzeitig wurde die dänische Reichsbank gegründet und jeder Grundbesitzer zu einer sofort fälligen Immobiliensteuer in Höhe von 6 % gezwungen. Während die Regierung den dänischen Bauern die Zwangsabgabe weitgehend erließ, wurde sie von den Bauern in Schleswig-Holstein mit aller Konsequenz durchgesetzt und diente als Mittel zur Unterdrückung.
  • 1816 wurde in Keitum das erste „Zollexpeditions-Comptoir“ eingerichtet unter der Leitung des ehemaligen Hauptmanns von Schultes als erstem „Zollcontrolleur“. Um 1885 hatte Lorenz Nicolai Ludwig Janssen diesen Posten bis zu seiner Pensionierung inne, zusätzlich zur Leitung des Steueramtes in Tinnum.
  • Die Sturmflut vom Februar 1825 („Große Halligflut“) hat große Teile der Nordseeküste beeinträchtigt und insgesamt 800 Todesopfer gefordert. Die Halligen und Pellworm wurden vollständig überflutet. Auf den Halligen blieben von insgesamt vorher 339 Häusern nur 23 bewohnbare Häuser übrig. Auf Nordmarsch und Langeneß kamen 30 Menschen ums Leben, auf Gröde 10. Betroffen waren nachweislich auch Familienmitglieder aus dem Zweig der Johannsen auf Langeneß mit mindestens einem Todesopfer. Details zu dieser Sturmflut werden im Kapitel 6.2 ausgeführt. Über weitere Auswirkungen von Sturmfluten auf Vorfahren ist nichts überliefert, sie können aber als wahrscheinlich angesehen werden. Allerdings hat auch Sylt starke Schäden davongetragen und der erst 1821 gebaute Seedeich vor Westerland wurde völlig zerstört. In Rantum wurden 100 Häuser überflutet und 15 davon zerstört. Auf Föhr brach der Deich an fünf Stellen, mit der Folge, dass die Insel komplett überflutet wurde und zwei Menschen sowie sehr viele Tiere ertranken.
  • Ein erster Postdienst wurde 1755 auf Sylt mit nur einer Poststelle in Keitum aufgenommen. Erst seit 1854 gibt es einen regelmäßigen Postdienst für die Insel Sylt und 1865 wurde Westerland an das Telegrafennetz angeschlossen.
  • Banken für allgemeine Geldgeschäfte sind erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den ländlichen Gegenden Schleswig-Holsteins entstanden. Für landwirtschaftliche Hypotheken-Darlehen gab es seit dem 16. Jahrhundert den einmal im Jahr stattfindenden „Kieler Umschlag“ und die auf adlige Gutsbesitzer ausgerichtete „Landschaft“. Daneben bildete sich der „landwirtschaftliche Kreditverband“. Banken im engeren Sinne entstanden um 1870, z.B. die in Tönningen gegründete und später in „schleswig-holsteinische Bank“ umgewandelte „Tönninger Darlehensbank“.
  • Die sich über Jahrhunderte erstreckenden kriegerischen Konflikte mit Dänemark in Verbindung mit Zwangsherrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung endeten erst mit der Besetzung der Herzogtümer Schleswig und Holstein durch Bundestruppen (Preußen, Sachsen, Österreich und Hannover) im Jahr 1864 und der Niederlage der dänischen Truppen in den Schlachten. Für Sylt endete die Unterdrückung mit einer Befreiung am 13.07. durch 300 Jäger des 9. Steierischen Bataillons aus einem österreichischen Regiment und eine Flottille von österreichischen Kanonenbooten, die die dänischen Besatzer vertrieb. Der Sylter Kapitän Hinrich Meinert Mathiesen hatte sich vorher dem Verbot der Besatzer widersetzt und war nach Cuxhaven geflüchtet, um der österreichischen Kriegsschiff-Flotte als Lotse in den Lister Hafen zu dienen, nachdem die Dänen die Leuchtfeuer ausgeschaltet und Seezeichen versetzt hatten. Kurz vor der Befreiung hatten die Besatzer eine Reihe von angesehen Bürgern und Wortführern festgesetzt und nach Kopenhagen in Haft geschickt. Es gehört wohl zu den geschichtlichen Kuriositäten, dass ausgerechnet ein österreichisches Jägerbataillon die Inseln Sylt und Föhr befreien musste. Die Österreicher verließen Sylt wieder am 25.08.1864 und am 30.10. desselben Jahres wurde in Wien ein Friedensvertrag unterzeichnet, mit dem die drei Herzogtümer und die Inseln endgültig an Deutschland abgetreten wurden. Nach der militärischen Befreiung erfolgte auch die Absetzung der dänischen Statthalter vom Landvogt über den „Zollkontrolleur“ und den Gerichtsdiener bis zu den Feuerwehmeistern und Leuchtturmwärtern, die den Syltern aufoktroyiert worden waren. Zu den vertriebenen dänischen Statthaltern gehörte auch der Pastor von Keitum, für den die Durchsetzung dänischer Interessen wichtiger war als die Interessen seiner Gemeindemitglieder. Mit Ausnahme der beiden Weltkriege herrscht in Nordfriesland gerade mal 150 Jahre lang Frieden.
  • 1785 kam der erste studierte Arzt nach Sylt und praktizierte in Keitum, wo im Mai 1825 von einem aus Tondern zugezogenen Lorenzen die erste Apotheke auf der Insel eröffnet wurde. Noch 1927 starb Mathilde Kaack im Kindbettfieber, obwohl sie in einer Arztfamilie lebte. Sie war kein Einzelfall, da es noch kein wirksames Mittel gegen Infektionen gab. Penicillin wurde erst 1928 durch Alexander Fleming im St. Marys Hospital in London entdeckt und kam erst zu Beginn des zweiten Weltkriegs in größerem Umfang zum Einsatz.
  • Elektrizität (zunächst nur zur Straßenbeleuchtung) und ein Krankenhaus wurden in Westerland erst in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts eingeführt.
  • Eine der ersten Zeitungen erschien Mitte des 17. Jahrhunderts in Leipzig. Im ländlich geprägten Nordfriesland entstanden Zeitungsverlage erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Davor war die Informationsverbreitung langsam und unzuverlässig.
  • Tourismus, der als Einnahmequelle auf Sylt die Seefahrt, Landwirtschaft und Viehzucht fast vollständig verdrängt hat, begann in bescheidenem Umfang 1855, dominiert aber schon vor dem ersten Weltkrieg bei den Einnahmequellen.
  • Um 1900 wurden auch im ländlichen Raum erste Telefonanschlüsse verlegt, die Anbindung mit einem Fernsprechkabel erfolgte in Westerland 1897. In der breiten Bevölkerung setzten sich private Telefonanschlüsse aber erst in den sechziger Jahren des 21. Jahrhunderts durch.
  • Automobile kamen im ländlichen Raum erst ab Mitte der zwanziger Jahre in signifikantem Maße zum Einsatz. Der Flughafen in Westerland entstand nach dem ersten Weltkrieg und der Linienflugverkehr wurde 1919 nach Hamburg und Berlin aufgenommen.

Viele der entscheidenden Umwälzungen sind somit gerade mal 100 Jahre alt oder jünger und technische Neuerungen beschleunigen den Veränderungsprozess, der zwar auch schon in den Jahrhunderten zuvor stattgefunden hat, aber mit deutlich niedrigerer Geschwindigkeit. 

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